Vor einigen Tagen war ich bei guten Freunden zum Abendessen eingeladen. Die Gespräche sind anregend, interessant und abwechslungsreich. Irgendwann kommen wir auf das Thema „Lieblingsgerichte“ zu sprechen. Mein Sitznachbar beginnt auf einmal zu schwärmen: „Letztens habe ich im Urlaub nach langer Zeit mal wieder Rübenkraut gegessen. Wir haben das gar nicht zu Hause, aber in meiner Kindheit gab es das immer. Kaum hatte er vom Brot abgebissen, war ich wieder in Gedanken in meiner Kindheit und sah mich am Küchentisch sitzen. Das war ein tolles Gefühl.“
Du kennst dieses Phänomen sicherlich auch: der Duft von Heu, der nach Freiheit duftet, weil Du als Kind im Sommer durch die Felder gerannt bist. Oder ein bestimmter Song, der Dich an Deine erste große Liebe oder eine besondere Begegnung erinnert. Bei meinem Sitznachbarn war es eben der Geschmack von Rübenkraut.
Über solche Sinnesassoziationen, die Erlebnisse der Vergangenheit auf intensive Weise vergegenwärtigen und damit erinnerbar machen, schreibt Marcel Proust in seinem berühmtesten Werk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“. Im Roman wird eine Madeleine (ein französisches Gebäck) in einen Tee getaucht, worauf das „Ich“ sich wieder an seine Kindheit in all ihren Details erinnert. Dieser Effekt, also dass ein Geschmacks- oder Geruchserlebnis plötzlich ganz bestimmte Erinnerungen hervorruft, wird daher auch Madeleine-Effekt oder Proust-Effekt genannt. (Nur für den Fall, dass Du mal Günther Jauch sitzt und bei der 125.000-EUR-Frage ins Stocken gerätst…).
Gerüche besitzen die Fähigkeit eine Erfahrung von wieder erlebten, emotionalen und alten autobiografischen Erinnerungen hervorzurufen.
Die Ursachen dafür sind übrigens noch unbekannt. Man geht davon aus, dass neuronale Verbindungen zwischen dem primären olfaktorischen Kortex, dem limbischen System und dem Hippocampus dafür verantwortlich sind. (Fun Fact: In meinem Studium habe ich mal eine Präsentation über den Hippocampus gegeben. Er ist unter anderem für die räumliche Orientierung zuständig. Londoner Taxifahrer haben einen überdurchschnittlich großen Hippocampus haben. Das kann man jetzt umfangreich interpretieren, vielleicht mal in einem anderen Newsletter, aber mir fiel es eben ein…).
Zurück zu Proust. Zu seiner Zeit (1871 – 1922), genauer gesagt um die Jahrhundertwende, bestand ein beliebtes Gesellschaftsspiel (Netflix gabs ja noch nicht…) darin, Gäste auf Festen einen persönlichen Fragebogen ausfüllen zu lassen. Marcel Proust hat im Alter von 20 Jahren einen Fragebogen veröffentlicht mit dem Namen „Marcel Proust par lui-même“ („Marcel Proust über sich selbst“). Seitdem ist dieser Fragebogen unter seinem Namen bekannt.
In meinen Coachings arbeite ich auch immer mit Fragebögen. Dadurch können sich meine Klientinnen und Klienten optimal vorbereiten, reflektieren und erste Erkenntnisse gewinnen. Auch vor dem Kennenlern-Coaching gibt es einen Fragebogen. Alleine dieser Fragebogen lohnt sich schon. Und den bekommst Du, egal, ob Du mit mir arbeiten möchtest oder nicht. Am besten direkt hier klicken:
Heute gibt es einen weiteren Fragebogen und zwar – Du hast es schon geahnt – den „von“ Marcel Proust. Meine Empfehlung an Dich: Beantworte die Fragen für Dich. Nimm Dir Zeit. Mach Dir einen Tee, zünde eine Kerze an und setz Dich in aller Ruhe hin. Die Fragen werden etwas „mit Dir machen“. Wenn Du magst, kannst Du die Antworten auch mit mir teilen. Und an Euch, beste Klientinnen und Klienten der Welt: Wir können gerne im nächsten Training über die Erkenntnisse sprechen, die Ihr währenddessen hattet.
Wo möchten Sie leben?
Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück?
Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?
Was ist für Sie das größte Unglück?
Ihre liebsten Romanhelden?
Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte?
Ihre Lieblingsheldinnen/-helden in der Wirklichkeit?
Ihr Lieblingsmaler?
Ihr Lieblingsautor?
Ihr Lieblingskomponist?
Welche Eigenschaften schätzen sie bei einer Frau am meisten?
Welche Eigenschaften schätzen sie bei einem Mann am meisten?
Ihre Lieblingstugend?
Ihre Lieblingsbeschäftigung?
Wer oder was hätten Sie gern sein mögen?
Ihr Hauptcharakterzug?
Was schätzen bei Ihren Freunden am meisten?
Ihr größter Fehler?
Ihr Traum vom Glück?
Was wäre für Sie das größte Unglück?
Was möchten Sie sein?
Ihre Lieblingsfarbe?
Ihre Lieblingsblume?
Ihr Lieblingsvogel?
Ihr Lieblingsschriftsteller?
Ihr Lieblingslyriker?
Ihre Helden der Wirklichkeit?
Ihre Heldinnen in der Geschichte?
Ihre Lieblingsnamen?
Was verabscheuen sie am meisten?
Welche geschichtlichen Gestalten verabscheuen Sie am meisten?
Welche Reform bewundern Sie am meisten?
Welche militärischen Leistungen bewundern Sie am meisten?
Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?
Wie möchten Sie gern sterben?
Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?
Ihr Motto?
Puh. Die sind nicht ohne, oder? Es lohnt sich, über diese Fragen nachzudenken. Noch besser ist es, wenn Du mit jemandem darüber sprichst. Vielleicht mit Deinem Partner, Deiner Partnerin, Deinen Kindern, Deinen Freunden? Es werden garantiert sehr anregende und tiefe Gespräche. Und wenn Du dabei auch „nur“ erfahren solltest, dass Dein Partner gerne mal wieder Rübenkraut essen würde, um noch glücklicher zu sein – dann hat es sich gelohnt.
Ich wünsche Dir gute Erkenntnisse und freue mich, von Dir zu hören!
Herzliche Grüße
Dein Thomas
P.S.: Marcel Proust hat den Fragebogen übrigens zweimal ausgefüllt. Das erste Mal mit 13 (andere Quellen sagen 15) Jahren, das zweite Mal mit 20. Wie wäre es, wenn Du ihn heute und dann nochmal in 5 Jahren ausfüllst? Du wirst staunen…